In der kommenden Woche geht ein Kapitel Gailtaler Geschichte für immer zu Ende. Die Gailtalbahn der ÖBB zwischen Hermagor und Kötschach wird es nicht mehr geben. Fortschritt oder Rückschritt?
Diese Tatsache wird viele Gailtaler mit Wehmut erfüllen. Es bleibt gleichsam kein Stein mehr auf dem anderen. Die Bahn war viele Jahrzehnte wichtiger Teil des Alltaglebens, mit ihr verbinden sich unendlich viele Erlebnisse und Erinnerungen. Auch wenn sie zuletzt vielfach vom Auto abgelöst wurde, weil Attraktivitätssteigerung nicht unbedingt eine Stärke der ÖBB gewesen ist.
Die Einstellung sei unwiderruflich, verlautet es aus der Kärntner Landesregierung. Denn es wäre fortschrittlich, den öffentlichen Verkehr auf die Gailtalstraße zu verlegen. Nur so könne das Gailtal zukunftstauglich gemacht werden. Wird uns versprochen.
Kriegszeit
In weniger als vier Monaten Bauzeit wurde im Sommer-Herbst 1915 die Eisenbahn von Hermagor nach Kötschach in den Gailtaler Talboden gestampft. An die 6000 russische und serbische Kriegsgefangene wurden zur Zwangsarbeit ins Gailtal gebracht. Sie schufteten an der Bahnlinie, an Zubringern, Kriegsbahnhöfen, Seilbahnen und errichteten befestigte Straßen. Auf die Egger Alm, das Nassfeld oder ins Lesachtal. Auf diesen Trassen wird noch heute gefahren. Die Gefangenen leisteten Unmenschliches. Viele kamen dabei um.
Ihre Namen sind nirgends verzeichnet. Schon im Jahre 1894 ging die Bahnstrecke Arnoldstein-Hermagor in Betrieb. Für eine Verlängerung nach Kötschach fehlte das Geld, es hätte von privater Seite auch nie aufgebracht werden können. Doch 1915 wurde diese Bahnverbindung als „dringende Kriegsnotwendigkeit“ eingestuft. Der ersten Besichtigung Ende August 1915 folgten blitzschnell die Grundverfahren und beinahe gleichzeitig wurde mit dem Bahnbau begonnen. Mit einfachstem Werkzeug und Gerät wurden abertausende Kubikmeter Material bewegt. Nach nur dreieinhalb Monaten, konkret am 18. Dezember 1915, fuhr der erste Probezug durchs Obere Gailtal. Die Strecke Dellach-Kötschach war allerdings nur bedingt befahrbar, sie lag im Direktbeschuss durch die italienische Artillerie. Am 1. Feber 1918 wurde schließlich die Bahn für den öffentlichen Verkehr freigegeben. Bei ihrem 100 Jahr-Jubiläum am 27. August 2015 läutete im Hintergrund schon längst die Totenglocke, nur die Ehrengäste, die von Erhaltung und Umweltfreundlichkeit der Bahn sprachen, wollten es nicht hören. Allein die Tatsache, dass sich kein einziger Bahnmanager bei diesem Jubiläum blicken ließ, sagte alles.


Abschied
Es ist höchste Zeit zum Abschiednehmen. Eine letzte Bahnfahrt zwischen Hermagor und Kötschach (oder umgekehrt) sollte in den letzten verbleibenden Tagen ein Pflichttermin sein. Wenngleich sich im Gailtal ein Verein mit der Wiederbelebung der Bahn für touristische Zwecke befasst. Eine durchaus überlegenswerte Initiative. Vielleicht könnten sich die Gemeinden des Tales zumindest zu dieser Gemeinsamkeit finden. Einigkeit in der Frage der Erhaltung gab es bekanntlich nicht.
Liebe Gailtalbahn – es war schön mit dir. Wir Gailtaler hätten dich liebend gerne behalten.Viele andere wollten dich aber nicht mehr.