Unterdöbernitzen im Mai 1959: Die damals knapp 60jährige Landarbeiterin Theresia Wassertheurer kehrt von einer Waldbegehung nicht mehr zurück. Tagelang wird vergeblich nach ihr gesucht. Fiel sie einem Verbrechen zum Opfer, gab es einen unentdeckten Unglücksfall? Der Fall bleibt für immer ungeklärt.
Der 22. Mai 1959, ein Tag wie jeder andere. Und doch wieder nicht. An diesem Tag brechen drei Grundbesitzer in Begleitung eines Försters zu einer Waldbegehung in den Hochwald Richtung Kirchbacher Wipfel auf.
Waldbegehung
Dort holzten die Bauern während des Krieges zu viel ab, die Behörde verpflichtete die Besitzer zur Hinterlegung einer Kaution und zum dringenden Aufforsten. Auch die 59jährige Theresia Wassertheurer aus Unterdöbernitzen ist bei dieser Begehung dabei. Sie ist eine von vier unverheirateten Schwestern, alle im Alter zwischen 50 und 60 Jahren, die den Hof mit acht Kühen und sechs Pferden beim vulgo Jochum in Unterdöbernitzen bewirtschaften. Emma ist die Besitzerin, Maria und Marianne arbeiten am Hof mit, Theresia fiel die Aufgabe als „Außenministerin“ und für alles Grobe, gemeint war damit die Männerarbeit, zu. Insgeheim hatte sie das Sagen am Hof. Die Wassertheurer-Schwestern gelten in der Bevölkerung als Sonderlinge, die ihrer Umwelt eher mit Misstrauen entgegentreten, von Kontakten mit der Außenwelt halten sie wenig. Streit mit nachbarlichen Grundbesitzern, oft wegen Kleinigkeiten, sind nicht selten. Wie diverse Prozesse am Gericht. Einheimischen bleibt nicht verborgen, dass es immer wieder zu heftigem Streit unter den Schwestern kommt. Nach außen hin aber vermitteln sie den Eindruck voller Einigkeit. Gegen 11 Uhr vormittags ist die Besichtigung beendet. „Außenministerin“ Theresia verabschiedet sich vom Förster und den zwei Landwirten. Sie habe es eilig, weil daheim noch Arbeit warte, sagt sie. Allein geht sie talwärts. Doch daheim sollte die 59jährige nie mehr ankommen.
Viele suchten
Tags darauf wird eine erste Suchaktion eingeleitet. Sie bleibt wie zahlreiche weitere ohne Erfolg. Praktisch jeder Quadratmeter ihres möglichen Heimweges wird von Zivilpersonen, Gendarmerie und sogar 60 Gebirgsjägern des Bundesheeres abgesucht. Theresia Wassertheurer bleibt spurlos verschwunden, als hätte sie der Erdboden verschluckt. Sie hinterlässt nicht die geringste Spur. In der Folge gibt es wilde Spekulationen. Die Schwestern der Abgängigen sind überzeugt, dass Theresia einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Sie vermuten den Förster als Täter. Es sind Verdächtigungen, die sich sofort als haltlos erweisen. Am Ende kommen die Schwestern selbst in Verdacht. Sie hätten Theresia nach ihrer Heimkehr kurzerhand „beseitigt“ und die Leichenteile im Ofen verheizt, wurde gemunkelt. Angeblich stand die Bezahlung von Prozesskosten an, die sie zu verantworten hatte. Andere wiederum vermuten, Theresia hätte sich dieser wegen nach Italien abgesetzt, um dort ein neues Leben zu beginnen. Die Gerüchteküche brodelt. Dazu bringen die Erhebungen der Gendarmerie kein Ergebnis. Doch die Gendarmen vom Posten Kirchbach aber lassen nicht locker.

Der vlg. Jochum-Hof in Unterdöbernitzen, den seinerzeit die vier Schwestern Wassertheurer
bewirtschafteten
Mord im Bauernhaus?
Sie erwirken bei Gericht eine Hausdurchsuchung. Dabei steht auch der Heizofen im Focus der Ermittler. Allerdings finden sich keine Spuren in Richtung Leichenverbrennung. Die Ermittler sind mit ihrem Latein am Ende. Es gibt keine Spur von Theresia Wassertheurer. Dieser Fall ließ Ermittler vom Kirchbacher Posten selbst im Ruhestand nie los. Alles sei so rätselhaft, so mysteriös gewesen, dass er uns keine Ruhe ließ, berichtete ein mittlerweile verstorbener Kirchbacher Gendarm danach. Immer wieder sei Hinweisen nachgegangen worden, erzählte er Jahre später. Für die Ermittler kamen drei mögliche Versionen in Frage: Der Frau ist im Wald tatsächlich etwas zugestoßen, sie fiel einer Gewalttat zu Hause auf dem Hof zum Opfer oder sie ist zuhause eines natürlichen Todes gestorben. Wobei dann die Leiche von den als überaus sparsam geltenden Schwestern im Umfeld des Hauses verscharrt wurde, um sich die Begräbniskosten zu ersparen. Das Gerücht, sie hätte sich nach Italien abgesetzt, war zu absurd.
Gerüchteküche brodelt
Als im Zuge der Hausdurchsuchung die Gendarmen das Bauernhaus betreten, kommt ihnen der Haushund entgegen. Um dann zum nahe gelegenen Maisacker zu laufen. Dort bellt er, er will offenbar etwas für ihn Wichtiges anzeigen. Beim aktuellen Erhebungszeitpunkt denkt allerdings niemand daran, dass Theresia dort verscharrt worden sein könnte. Im Nachhinein, so der erhebende Gendarm, habe er sich geärgert, dass dieser Deutung des Haushundes keine Bedeutung zugemessen worden sei.
Jahre später wurde die Gerüchteküche erneut angeheizt. Wie ein Einheimischer zu erzählen wusste, verlangte eine der drei Frauen, sie lag im Sterben, angesichts ihres nahenden Todes einen Pfarrer. Offenbar lastete etwas schwer auf ihrem Gewissen, das sie loswerden wollte. Die beiden Schwestern aber lehnten ihr Ansinnen ab und ließen sie ohne Priester sterben. Hatten sie etwa Angst davor, dass ihre Schwester etwas Unangenehmes sagen würde?
Es ist anzunehmen, dass die drei Wassertheurer-Schwestern dieses Geheimnis um ihre Schwester Theresia mit ins Grab genommen haben.